5 Wege, um im virtuellen Konferenzraum zu überleben
Monika Dimitrakopoulos-Gratz:
Schon langsam gewöhnen wir uns an die neue Normalität. Wir arbeiten von zu Hause und kommunizieren virtuell. Eine Videokonferenz folgt der anderen und mit einem Klick gelangen wir zum nächsten Meeting. Dort wo bisher noch ein paar Gehminuten Zwischenraum lagen, um von einem Besprechungsraum zum anderen zu gelangen, reicht es aus, sich neu einzuwählen.
Viele Menschen, mit denen ich in den letzten Tagen gesprochen habe, berichten, dass diese Form des Austauschs überraschend gut klappt. Zugleich erleben die allermeisten, dass virtuelles Konferieren per Videokonferenz enorm viel Kraft kostet und man sich am Ende des Tages erschöpft auf dem Sofa wiederfindet und wundert, wie das sein kann.
Was ist so anders? Unser Gehirn stellt sich um.
Die Qualität der Aufmerksamkeit und die Art Beziehung zu den Menschen ändert sich, wenn wir per Videokonferenz miteinander kommunizieren. Die Art in Verbindung zu treten und zusammenzuarbeiten ist für viele neu und vor allem in der aktuellen Häufigkeit, mit der wir das gerade betreiben, ungewohnt. Die Berichte und eine Erfahrung aus den letzten Wochen decken sich. Zum einen darin, dass es zu sehr intensiven Verbindungen und vielen schönen Gesprächen kommt. Wir zeigen mehr von uns als Mensch und werden authentischer. Die Funktion tritt in den Hintergrund und wir nehmen einander vielmehr als Mensch wahr. Das ist eine wunderbare Erfahrung, die sich auf die Kommunikation im beruflichen Alltag nach Corona auswirken wird. Auf der anderen Seite erleben wir, dass wir zwar elektronisch verbunden, aber physisch voneinander getrennt sind. Und das ist auf Dauer anstrengend. Im elektronischen Austausch ist das Gehirn besonders gefordert. Zunächst ist es erst mal nicht darauf ausgerichtet, so viel Zeit vor dem Bildschirm zu verbringen. Daher schaltet es automatisch in einen anderen Modus.
So erkennt unser Auge, sobald wir in unseren Bildschirm blicken, dass es sich um künstliches Licht handelt, in das wir schauen. Und das menschliche Gehirn erbringt eine noch viel entscheidendere Leistung. Es ist schlau und kann sofort unterscheiden, ob wir in einem echten Kontakt mit anderen stehen oder wir virtuell verbunden sind.
Es fokussiert sich also auf die wenigen Sinneseindrücke, die es zu ergattern gibt. Wo Körpersprache, Gestik und Mimik im direkten Austausch als Gesamteindruck schnell erfassbar waren, bleibt online nur ein begrenzter Ausschnitt. Technische Probleme und eine schlechte Internetverbindung kommen da noch erschwerend hinzu. Wer hat nicht schon erlebt, dass das Gesicht des Sprechenden einfriert? Da können wir nur erahnen, was sich in den nächsten Sekunden bei der Person emotional abspielt. Uns fehlt ein wichtiges Puzzleteil und das Gehirn versucht auf Hochdruck, das Bild zu vervollständigen. Das kostet Kraft.
Sobald wir uns mit mehreren Menschen per Videokonferenz treffen, müssen wir also mit vielen neuen Eindrücken umgehen und sortieren. Welches von den vielen Gesichtern schaue ich an? Wem höre ich zu? Was macht die Katze da im Hintergrund? Wann endet das Gekreische der Kinder im Hintergrund? Wo hat der Kollege diesen Pulli nur her? Wir haben es also mit einem Info-Overload ganz anderer Natur zu tun, den wir aus den gewohnten persönlichen Meetings nicht so kennen. Alles das, was wir nicht eingeübt haben und unser Körper und Geist nicht gewohnt sind, erhöht den Energieverbrauch. Und je mehr wir uns mit diesen ganzen Eindrücken beschäftigen, umso weniger können wir uns auf das Gegenüber, also den Menschen und seine Bedürfnisse, konzentrieren. Wir sind verbunden und getrennt zugleich. Vielleicht ist es das, was uns am Ende eines Online-Meeting-Marathons zu dieser Erschöpfung führt?
Im virtuellen Raum entsteht eine etwas paradoxe Situation: Wir fühlen uns verbunden und zugleich getrennt.
Eine weitere Erfahrung aus den Onlinekonferenzen ist, dass wir um ein Vielfaches leichter ablenkbar sind. Ja, wie fühlen uns im virtuellen Meeting in gewisser Weise sogar freier, weil unbeobachteter. Wir können kurz Ton und Kamera ausschalten und etwas anderes erledigen. Aber auch im On-Modus von Ton und Kamera habe ich mich viel schneller dabei ertappt, nebenbei E-Mails zu checken, mal kurz bei LinkedIn oder Twitter vorbeizuschauen oder andere Aufgaben zu erledigen. In jedem Fall kenne ich dieses Verhalten aus den persönlichen Meetings so nicht. Die Verlockung, sich zwischendurch rauszunehmen, scheint größer. Diese Momente können wir dann als „Multitasking“-Momente bezeichnen. Wie wenig produktiv und wie viel mehr energieraubend das ist, haben wir schon vor Corona erfahren.
Ich möchte hier ein paar ganz einfache und wirksame Möglichkeiten teilen, die ich selbst ausprobiert und die sich aus den zahlreichen Gesprächen mit Kunden und Kollegen entwickelt haben. Diese Tipps sollen dazu beitragen, diese neu gewordene Normalität des Austauschs so zu gestalten, dass maximale Verbindung entsteht, und wir aus dem virtuellen Raum gestärkt und mit Energie zurück zur Arbeit kehren können.
Tipp 1
Fokus setzen: Reserviere dir 1 Minute vor dem Start, um selbst ankommen. Kurz aufstehen oder im Sitzen ein paarmal tief durchatmen, um die eigene Aufmerksamkeit und den Fokus nach innen zu richten. Dann überlege: Was ist mein Beitrag in dem Meeting? Welche Erfahrung, Kompetenz, Information kann ich einbringen?
Tipp 2
Verbindung herstellen: Wenn du in den Meetingraum eingetreten bist, verschaff dir einen Überblick darüber, wer da ist. Begrüße jeden Teilnehmenden mit einem Lächeln und nimm Verbindung durch einen kurzen Blickkontakt auf.
Tipp 3
Sichtbar sein: Halte dein Video eingeschalten, sodass die anderen die Möglichkeit haben, dich zu sehen.
Tipp 4
Kein Multitasking: Widerstehe dem Versuch des Multitasking und schließe alle Anwendungen im Hintergrund, die nicht unmittelbar für das Meeting notwendig sind. (E-Mail, Internet, Intranet, diverse Apps)
Tipp 5
Pausen machen: Die Aufmerksamkeitsspanne des Menschen ist geringer, als wir das oft meinen. Bereits nach 20 Min. lässt die Konzentration nach. Und daher ist es wichtig, bei längeren Besprechungen spätestens nach 50 Min. eine Pause von 5–10 Min. einzuplanen. Das fördert die Regeneration von Geist und Körper. Im Anschluss sind wir mit neuer Aufmerksamkeit dabei.
Ob wir wollen oder nicht. Virtuelles Zusammenarbeiten wird die neue Normalität. Vielleicht zwar nicht in der Intensität, wie es in der Coronakrise stattfindet. Zum Glück haben wir Menschen die Gabe, rasch auf Veränderung zu reagieren. Die Lernkurve bei uns allen war in den letzten Wochen enorm. Es erfordert neben der Einarbeitung in die technischen Raffinessen von jedem Einzelnen, dass wir sorgsam miteinander umgehen und auf die Energie achten. Lasst uns diese Möglichkeit nutzen, ausprobieren und gemeinsam Neues im Umgang mit der virtuellen Zusammenarbeit lernen.